(Post)koloniale Erwerbsgeschichten und Objektbedeutungen zur Kamerun-Sammlung von Kurt Strümpell aus der deutschen Kolonialzeit

Im Teilprojekt von PAESE am Städtischen Museum Braunschweig wurden die Erwerbsumstände der Sammlung von Kurt Strümpell (1872-1947) unter den Bedingungen der deutschen Kolonialherrschaft in Kamerun erforscht. Zwischen 1901 und 1908 übergab Strümpell dem Museum seiner Heimatstadt ca. 700 Objekte für die ethnografische Sammlung. Dazu zählen Objekte aus West-, Südwest- und Nordwestkamerun sowie dem heutigen Adamaoua, Nord- und Extremnord Kameruns und Teilen Nigerias. Aufgrund ihres kolonialgeschichtlichen Erwerbskontextes, ist die Sammlung Strümpell als historisch sensibel einzuordnen: Strümpell war von 1900 bis 1912 Offizier der „deutschen Schutztruppe“ in der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun und an zahlreichen gewaltsamen Militärinterventionen gegen die lokale Bevölkerung zur Festigung der deutschen Herrschaft beteiligt. Zunächst war er auf verschiedenen Stationen im sogenannten Grasland eingesetzt. Ab 1906 fungierte er als Resident des damaligen Verwaltungsdistrikts Adamaua. Untersucht wurde, wie Strümpell an die Objekte gelangte, welche Erwerbsmodalitäten es gab und wie diese in Zusammenhang mit der deutschen Kolonialherrschaft standen. Dabei wurden Gewaltkontexte ebenso wie die Vielfalt von Erwerbsformen und die Komplexität von Interaktionen im kolonialen Kontext berücksichtigt.

Anhand von schriftlichen Quellen am Museum und weiteren Archiven aus der Kolonialzeit wurden Erwerbsgeschichten zu einzelnen Objekten rekonstruiert. Darüber hinaus wurden Nachfahren von Vertretenden von Herkunftsgemeinschaften und kamerunische Expert*innen befragt, um die eurozentrische Perspektive der kolonialzeitlichen Quellen zu dezentrieren. Bei der Frage nach den Erwerbsgeschichten wurden auch Lücken in den Überlieferungen berücksichtigt und nach dem Bedeutungswandel von Objekten gefragt: Welche Erwerbsgeschichten wurden in der schriftlichen und mündlichen Geschichte festgehalten und welche nicht? Welche Bedeutungen erhielten die Objekte als Teil der Sammlung zur Kolonialzeit? Und welche Bedeutungen werden ihnen heute von Vertretenden der Herkunftsgemeinschaften zugeschrieben? Können die Sammlungsobjekte als Träger postkolonialer Verstrickungen Ausgangspunkt für neue Beziehungen und Dialoge werden? Mit dem Projekt wurde gleichermaßen ein Beitrag zur postkolonialen Provenienzforschung und der kritischen Institutionsgeschichte angestrebt.

Kontakt:

Projektbearbeiterin: Isabella Bozsa

Museumsdirektor: Dr. Peter Joch

Teilprojektleiter: Dr. Rainer Hatoum (ehem. Teilprojektleiterin: Dr. Evelin Haase)

Universitäre Betreuerin: Prof. Dr. Brigitte Reinwald (Universität Hannover)