Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen

 

Allgemeine Informationen über die Institution

 

Die Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen ist eine der bedeutendsten Lehr- und Forschungssammlungen im deutschsprachigen Raum. Ihre Anfänge reichen bis in die Zeit der Aufklärung zurück. 1773 wurde an der Universität das Königlich Academische Museum gegründet, zu dessen Bestand bald auch erste Ethnographica zählten. Auf Initiative von Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) gelangten noch im 18. Jahrhundert umfangreiche Konvolute aus der Südsee und dem nordwestlichen Amerika (Cook/Forster-Sammlung) sowie der arktischen Polarregion (Baron von Asch-Sammlung) nach Göttingen. Diese beiden einzigartigen Altbestände begründen bis heute den internationalen Ruf der Sammlung.
Mittlerweile zählt die Sammlung ca. 19.000 Objekte aus allen Kontinenten. Weiterhin umfasst sie Grafiken und Gemälde, Fotografien sowie Hands-On-Objekte der Museumspädagogik. Seit Dezember 2017 sind erste Bestände im Online-Sammlungsportal der Georg-August-Universität Göttingen einsehbar. In Abhängigkeit von den vorhandenen Mitteln soll die Online-Stellung der Sammlung sukzessive ausgebaut werden.

 

Allgemeine Informationen zu Sammlungen aus kolonialen Kontexten in der jeweiligen Institution

 

Die genaue Erfassung der Bestände aus kolonialen Kontexten ist Gegenstand aktueller Recherchen. Die Heterogenität der vorhandenen Konvolute sowie die oft unzureichende Dokumentation der Eingänge machen diese Arbeiten zu einer kleinteiligen und zeitaufwändigen Angelegenheit.

Nach gegenwärtigem Stand kamen zwischen 1884 und 1918 ca. 600 Objekte aus den deutschen Kolonialgebieten in die Sammlung. Mehrere hundert weitere Objekte gelangten zwar erst später an die Göttinger Universität, doch liegt ihr ursprünglicher Erwerbungskontext ebenfalls im genannten Zeitraum. Darüber hinaus existieren umfassende Konvolute, bei denen entweder das Erwerbsjahr oder die regionale Zuordnung bislang nicht eindeutig bestimmbar sind, ein kolonialer Erwerbungskontext aber als wahrscheinlich gilt.

 

Informationen zu in PAESE erforschten Teilbeständen

 

An der Ethnologischen Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen waren zwei Teilprojekte des Verbundprojektes angesiedelt, die eng zusammenarbeiteten. In beiden Untersuchungen wurden Objektbestände mit unterschiedlichen Merkmalen hinsichtlich Objekttypen, Materialien, Erwerbszusammenhängen und beteiligten Akteurinnen und Akteuren berücksichtigt.

Ein Teilprojekt widmete sich der universitären Verwendung von Ethnographica in Lehre und Forschung. Hierzu wurden solche Bestände betrachtet, die Rückschlüsse auf Zusammenhänge von kolonialen Sammlungen und universitärer Praxis zulassen. Ein weiterer Fokus lag auf Beständen aus dem heutigen Tansania. Diese Untersuchungen waren institutionell an die Ethnologische Sammlung angebunden und wurden von Hannah Stieglitz durchgeführt.

Das Dissertationsprojekt (Arbeitstitel: Kolonialismus in der Lehre – Lehren aus dem Kolonialismus. Kolonialzeitliche Bestände der Ethnologischen Sammlung Göttingen und ihre Verwendung in der universitären Praxis) ist als Provenienzforschung angelegt und nimmt die Wirkungsgeschichte von Sammlungsbeständen der Ethnologischen Sammlung Göttingen aus kolonialen Kontexten über die Analyse ihrer Dokumentations-, Nutzungs- und Deutungsgeschichten in den Blick. Universitätssammlungen werden dabei als Orte mit epistemologischer Wirkungsmacht begriffen, die in einem Wechselverhältnis zu universitären Praktiken des Lehrens und Forschens standen und stehen. Provenienzforschung wird über erwerbsgeschichtliche und objektbiographische Ansätze hinaus als ein Beitrag zum Verständnis komplexer Sammlungsgeschichten verstanden. In einer Verbindung von geschichtswissenschaftlichen und ethnologischen Methoden sollen sowohl Erkenntnisse über sammlungsbezogene historische Praktiken der Vereinnahmung von Objekten, als auch der universitären Bedeutungs- und Wissensproduktion als akademische Praxis generiert werden. Mittels kooperativer Forschungselemente wird zudem nach der aktuellen Relevanz kolonialer Sammlungen für die heutige Forschungspraxis gefragt werden. Übergreifendes Ziel des Projektes ist es einen Beitrag zur Erschließung einer komplexen Sammlungsgeschichte und damit zur Wissenschafts-, Disziplinen- und Institutionengeschichte als auch zu Kolonialität in Wechselwirkung zu Bedeutungs- und Wissensproduktionen zu leisten.

Ein zweites Teilprojekt analysierte Netzwerke und Handelsbeziehungen. Dabei standen die Bestände aus den deutschen Kolonien im Pazifik, vor allem aus dem heutigen Papua-Neuguinea, im Mittelpunkt der Untersuchungen. Diese waren institutionell an das Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte angebunden und wurden von Sara Müller durchgeführt. Ziel des Dissertationsprojektes (Eine wissenschaftliche Expedition an den Sepik. Objekte und der deutsche Kolonialismus in Papua-Neuguinea) war die Rekonstruktion von Handelswegen und Netzwerken zwischen Deutschland und seiner ehemaligen Kolonie in Deutsch-Neuguinea, dem heutigen Papua-Neuguinea. Betrachtet und analysiert wurden jene Netzwerke und Handelswege, die in direktem Zusammenhang mit Objekten aus der Ethnographischen Sammlung der Universität Göttingen stehen. Von Interesse waren dabei jene Objekte die zwischen 1890 und 1914 in der Südseekolonie erworben wurden und somit in einem kolonialen Zusammenhang zu sehen sind. Auf Grundlage dieser Objektbestände wurde verschiedenen Fragen nachgegangen: Wer waren die Männer und Frauen, die diese Objekte herstellten und mit ihnen handelten bzw. von denen diese entwendet wurden. Wie erwarben Europäer wie Europäerinnen und auch Einheimische Objekte in den Kolonien? Warum sind diese Objekte heute in Göttingen und wie kamen sie hierher? Wie hat sich die Bedeutung der Objekte in diesem Transferprozess verändert? Welche Motive verfolgten die Akteurinnen und Akteure, die Objekte produzierten/verschenkten/verkauften/kauften oder sich gewaltsam aneigneten? Um diese Fragen beantworten zu können, wurden verschiedene Quellenbestände herangezogen. Neben den Archivalien der Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen wurden Reisebeschreibungen der Sammlerinnen und Sammler, Korrespondenz, Publikationen und die Objekte selbst analysiert. Betrachtet wurde außerdem der historische Kontext, dem die Objekte entstammten. Dazu zählen zeitgenössische politische und soziale Debatten sowie Sammlungsstrategien, Maßstäbe und das zeitgenössische Verständnis der Generierung von Wissen. Auf dieser Grundlage trug die Arbeit zur Aufarbeitung der Deutschen Kolonialgeschichte in Ozeanien, sowie zur Aufarbeitung des kolonialzeitlichen Sammlungsbestandes der Ethnologischen Sammlung in Göttingen bei.

Kontakt

Kustos: Dr. Michael Kraus

Teilprojekt:Handelswege und Netzwerke

Projektbearbeiterin: Sara Müller

Teilprojektleiterin und universitäre Betreuung: Rebekka Habermas

Teilprojekt: Sammeln und Lehren

Projektbearbeiterin: Hannah Stieglitz (geb. Feder)

Teilprojektleiter: Dr. Michael Kraus

Universitäre Betreuung: Prof. Dr. Elfriede Hermann